26
Nov
2007

E.N.D.E.

Dies ist der Versuch abzuschließen.

Doch wie schließt Mann etwas ab, das er in sich trägt. Ein Summen in all den neuen Sprachen und Bildern und Brillen und Bewegungen, Gedanken, Blickwinkeln, Assoziationen, Deklamationen, Religionen und Dämonen.

Abzuschließen ist ein Zustand der Raumerfahrung. Denn durch mein Sitzen an diesen Zeilen in einem Zimmer, das ich schon seit mehr als ein paar Wochen besuche, das ich auf immer ähnlichen Wegen erreiche, durch diese Manifestation der Sesshaftigkeit bin ich nicht mehr in der Lage ein reisendes Sein aufrecht zu erhalten. Nein, auch eine knappe Stunde Fahrradfahren, die ich brauche um die alten Streifgebiete in Münchens Schwabing zu erreichen, machen aus mir keinen Reisenden mehr. Und dadurch ändert sich die Wahrnehmung. Aus einem Pfeil mit etwas rechts und links wird ein Punkt mit langsamen Wellenbewegungen in ein Außen und Innen.

Hostal-Home

Solltest du neu auf diesen Blog stoßen, so beginne ihn am Anfang. Also hinten. Denn Geschichte ist nun mal von uns abgewandt und wir leider zumeist nach vorne gewandt, in den vergeblichen Versuch die Summe deiner bisherigen Taten vorauszuplanen. Dabei ist und hat doch das Jetzt alles was wir haben.

Boooot

All jenen, die zu meiner großen Freude diesen Blog gelesen haben, ganz egal ob haargenau und lesenderweise mitreisend oder mal schnell nachschauend ob noch alles keucht und fleucht, all jenen ist dieses Abschließen gewidmet.
Denn ohne euch wäre dieser Blog nie so lange gepflegt und so ausführlich geschrieben geworden! Nur die positiven Kommentare und die Gewissheit, nicht für die unendlichen Weiten der Bits und Bytes zu schreiben, riefen mich in tiefgekühlte Internetcafés, an röchelnde und virenverseuchte Hostel Computer, an die Laptops von neuen Bekanntschaften und immer wieder in diese Internetcafés, die auch den Verlust meiner Kamera in sich tragen. Vier Stunden Skypen, Mailen, Bloggen und Surfen am zweiten Tag nach der Rückkehr aus Kuba, das war einfach zuviel für die Canon EOS 400D und sie suchte sich dann ganz still und leise einen neuen Benutzer. Fotos habe ich dadurch keine verloren, aber die Möglichkeit neue zu schießen, die war dahin. Geöffnet wurde dadurch der Blick ein wenig. Zwar sah ich weiter Motive und Rahmen, wann immer ich durch die Gegenden streifte, doch hatte ich kamerabefreit mehr Zeit zum Schauen, Sprechen, Einsaugen. Die Einzigartigkeit des Augenblicks fand verstärkte Huldigung.

Cabezas

Immer wieder wird der Zurückgekommene gefragt, sag, wo war's am Schönsten.
Das ist eine unbeantwortbare Frage. Ich bin zwar ein Kind der Ära des Buchs der Rekorde, doch mache ich bei diesem Höher-Schneller-Weiter (auch in ihrer Reisevariante: mehr Städte in weniger Zeit dafür mit mehr Sehenswürdigkeiten) nicht mit. Das mag bei der Anzahl der besuchten Orte recht unwahr klingen, doch ging ich zumeist dorthin wo es mich hinrief und habe sowohl in México D.F., Guanajuato, Palenque, Isla Mujeres, Kingston und vor allem am Lago Atitlán genau soviel Zeit verstreichen lassen, wie ich brauchte um der Anziehung Tribut zu zollen. Es gibt eine große Anzahl von Orten, an denen ich länger hätte bleiben können, für Tulum und die Blue Mountains trifft dies im besonderen Maße zu. Außerdem habe ich fast alles NICHT gesehen, selbst wenn die Stempel der jeweiligen Territorialmacht in meinem Pass schimmeln. Gerade daher war meine Reiseform (ich und der große und der kleine Rucksack) eine sehr angenehme Variante: Ich konnte zumeist dem Ruf eines Ortes folgen, ohne damit fremde Pläne zu durchkreuzen. Außerdem hatten sich mit meinen kurzzeitigen Reisegefährten, Katha, Jonty, Monica und Amy, stets äußerst angenehme Reisekonstellationen ergeben.
Aber ich drücke mich schon wieder vor der Frage. Wo war es am Schönsten? Nirgends und Überall.
Diese Antwort kauft natürlich keiner ab.
Am Schönsten.
Am Schönsten war es, in Guanajuato ankommen und noch nicht ganz im Reisemodus zu sein und schon im Bus vom Busbahnhof in die Stadt (so schnell unterwegs wie in jenem unsäglichen Film mit der Bombe im Bus nur leider auf Kopfsteinpflaster) zwei spanische Studentinnen und einen kolumbianischen Fotografen kennen zu lernen, Rucksack ablegen und sofort mit zum Feiern zu gehen. Am Schönsten war in der Barranca del Cobre neben der letzten Glut in die Unendlichkeit des glitzernden Weltalls zu schauen. Am Schönsten war es in Zacatecas auf der Dachterrasse mit Blick auf die hell erleuchtete Kathedrale zu grillen. Am Schönsten war es in Real de Catorce zu Fuß und bei großer Hitze auf La Quemada zu pilgern. Am Schönsten war es die dortigen Sonnenuntergänge zwischen Ruinen zu erleben. Am Schönsten war es in Catemaco die Sprache der ausgewanderten Italiener zu hören. Am Schönsten war es in Palenque mit den Schmuckhandwerkern, den Feuertänzern und den Tätowierern zu leben. Am Schönsten war es mit der mir liebsten Mexikanerin Pyramiden zu fotografieren. Am Schönsten war es nach dem Moloch Cancún auf Isla Mujeres an Land zu gehen. Am Schönsten war es dort Gespräche im flachen karibischen Meer zu führen. Am Schönsten war es für nur einen Tag La Habana zu durchblitzen. Am Schönsten war es in einer sirrenden Sommernacht in Kingston aufzuatmen. Am Schönsten war es am Bob Marley Museum für Georgie aus „No Woman no Cry“ eines meiner englischen Gedichte zu rezitieren. Am Schönsten war es an der Ostküste Jamaicas am Strand zu schlafen. Am Schönsten war es in Kingston downtown bei Passa Passa bis um sieben Uhr früh zu tanzen. Am Schönsten war es Katha im nächtlichen Havanna wiederzusehen. Am Schönsten war es Tulum bei Vollmond zu spüren. Am Schönsten war es den Schrei der Brüllaffen durch dich wogen zu spüren. Am Schönsten war es Tikal ruhen zu sehen. Am Schönsten war es Paddy in Guatemala City zu treffen. Am Schönsten war es mit den guatemaltekischen Bussen zu fahren. Am Schönsten war es am Lago Atitlán zu meditieren und zu wandern. Am Schönsten war es Amy in San Pedro ein drittes Mal zu verabschieden. Am Schönsten war es einen Keks nach der Meditation bei Sonnenuntergang am Seeufer zu essen. Am Schönsten war es Tee zu trinken. Am Schönsten war es auf drei Vulkane zu steigen. Am Schönsten war es in San Cristóbal um zehn Uhr nachts eine Unterkunft zu suchen und eine politisch engagierte Kräuterheilerin zu finden. Am Schönsten war es die Insel Chacahua zu finden. Am Schönsten war es mit dem Pazifik zu tanzen. Am Schönsten war es Ana wiederzusehen und Puebla ganz anders kennenzulernen. Am Schönsten war es am Tag der Unabhängigkeit auf dem Zócalo zu stehen. Am Schönsten war es am selben Tag Jess kennenzulernen und für sie am Bartresen zu dichten. Am Schönsten war es mit Mónica durch die Merced zu laufen und nach Kernen der grünen Tomate zu fragen. Am Schönsten war es auf dem Flughafen Katha zu sehen und zu wissen, wir reisen noch einmal. Und damit habe ich vielleicht das eine gesagt, das als Zusammenfassung in ein Wort passt:
Am Schönsten war es zu reisen.

Die Kunst des Alltags in Blau gepunktet

Aber auch schön war es im Flugzeug die Neon zu lesen und zu merken, in Deutschlands Sprachkunst tut sich was Gutes. Und anzukommen und von Youssef abgeholt zu werden, durch die Stadt zu cruisen und sich wie ein Reisender zu fühlen, der nicht glauben kann, dass dieses graue Gebäude in der Ludwigstraße in den letzten Jahren so oft Ziel des aus-dem-Haus-gehens war. Etwas besonders war es, wieder in Südtirol bei MaM und Papi am Stubentisch zu sitzen und im Garten vor etwas Erde und Blütenblättern von Volti noch einmal Abschied zu nehmen.

tropfen

Abschied nehme ich nun auch von euch, allerdings mit einem kleinen Trost: Das Reise-ich wird im kommenden Jahr in Algund bei Meran in Südtirol (in der Galerie Geier) und auch in München (im Hei am 4.4.08, genau ein Jahr nach Abflug) mit Bild und allerlei Gedicht zur Ausstellung kommen.

bambu
dAn

Gerade eben in Mexiko

Eine Reise, einige Monate, viele Geschichten

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Es ist soweit! Die Ausstellung zum Blog im HEI in München...
-dAn- - 2. Apr, 10:12
nach E.N.D.E. kommt A.N.F.A.N.G.
Lieber dada, noch mal einhalb monate nach deinem abschluss,...
Kathita (Gast) - 9. Jan, 03:22

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